Teil II - Kapitel Sieben, Acht und Neune

Siebtes Kapitel
Now if I were the
queen of all the world
I would go in chains
just to see you free
(aus The Big Ones Get Away von Buffy Sainte-Marie)


Der Grund, warum ich bis heute noch niemals verheiratet gewesen bin, liegt nicht etwa in meinem autistischen Individualismus und starrsinnigem Eigenbrötlertum begründet, (zumindest nicht nur...) sondern schlicht und ergreifend daran, dass der Mann den ich gerne geheiratet hätte, schon in ganz jungen Jahren erschossen worden ist. Er war ein Kind der Anti-Apartheidsbewegung aus Soweto und ein Bewunderer Nelson Mandelas. Und das war auch schon der einzige Grund für seinen Mörder, ihn aus dieser Welt zu schaffen.

So konnten wir unsere heimliche Verlobung und das Versprechen ewiger Treue aus Kindertagen tragischerweise als Erwachsene nicht einlösen. Wobei -  das Versprechen ewiger Treue konnte ich durchaus einhalten, denn ich habe bis dato ja nie geheiratet. 

L. war schon als Kind ein sehr ernsthafter, stiller und nachdenklicher Mensch, rückblickend konnte man damals schon den Wesenskern eines Intelektuellen in ihm erspüren.

Noch tragischer als unsere vereitelte Ehe ist der Umstand, dass L. nicht etwa von einem burischen Rassisten ermordet wurde, sondern von einem Bruder aus dem Township, der einer mit Mandela und den damaligen ANC-Aktivisten rivalisierenden Gruppe angehörte.

...of the ropes that bind you
and the role you play
and the pride that hooks you
while the big ones get away...
(Buffy Sainte-Marie)

Ich war heute wieder mit meinen Gedanken bei L., meinem geheimen Verlobten, als ich im Guardian den Appell des Südafrikanischen Schriftstellers Zakes Mda an seine Landsleute las, sich verstärkt für den äthiopischen Journalisten Eskinder Mega einzusetzen.

Dieser wurde in seinem Heimatland zu einer 18-jährigen Haftstrafe wegen "Terrorismus" verurteilt  und das nur, weil er mutig und selbstbewusst sein Wort an die dortigen Machthaber richtete und sie an ihr Versprechen erinnerte, demokratische Reformen im Land umzusetzen.


Achtes Kapitel


Du denkst deinen
strömenden Tag
schwimmst mühsam
durch das Stundenwasser

Die Nacht
denkt dich
von Stern zu Stern

Im Schlafwandelatem
du merkst nicht
dass du Abschied nimmst
(Abschied  -Gedicht von Rose Ausländer)

Ich hatte mich schon ein paar mal zum Schreiben eines neuen Briefes an Dich hingesetzt, kam aber leider nicht weit. Es ist hier nämlich mitunter so, dass meine Wege und Vorhaben von unheilbaren Krankheiten durchkreuzt werden, mit denen ich mich dann auseinanderzusetzen habe.

Bislang ist es mir auf diese meine Weise des auseinandernehmens und neu zusammensetzens dann auch immer wieder gelungen, zahlreiche dieser unheilbaren Krankheiten zu besiegen.

Ich erinnere mich gerade auch wieder daran, wie ich mich schon als kleines Mädchen immer wieder alchimistischen Experimenten hingab. Wenn meine Großmutter mir beispielsweise ein Schaumbad einließ, schluckte ich absichtlich den Badezusatz, nur um meiner Großmutter voller Stolz zu beweisen, dass dieser Schaum es mit mir nie und niemals nicht aufnehmen konnte!

Auch wenn meine Großutter mir vorsorglich immer die Äpfel schälte, aß ich demonstrativ zuerst die giftigen Schalen vom Teller. Damit wollte ich meiner Großmutter imponieren und ihr beweisen, wie stark ich war und dass sie sich um mich nicht zu sorgen bräuchte.

Früher war es ja noch so, dass alle Kinder gesammelt und durch die Bank in der Grundschule von Schulärzten gimpft wurden, damals auch noch gegen Pocken. Da wurde einem mit so einem kleinen Messerchen in den Oberarm geschnitten, was ich mir dann auch und ohne mit der Wimper zu zucken gefallen ließ. Als dann aber die Nummer mit dem Zückerchen (gegen Kinderlähmung) kam, verweigerte ich mich. Machte meinen Mund nicht auf. Nicht mit mir. Mit mir nicht!

So ging es dann ja auch gut und ich wurde weder von den Pocken noch von der Kinderlähmung aus der Bahn geworfen.



Neuntes Kapitel
To Be Or Not To Be
(Wiliam Shakespeare)

Ich schließe meine Augen
und meine Ohren
auch meinen Mund
und suche Dich
in der Stille der Nacht.


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